ANNA POLONI
© Bohumil KOSTOHRYZ boshua | pour TVL
Marek und Karen leben in der Wohnung ihrer Kindheit. Für Karen ist sie der Stützpunkt ihrer exzessiven Ausflüge in die Welt, für Marek Bollwerk und Kloster.
Der permanente Kontakt zur Welt ist über das große offene Fenster im Hauptraum der Wohnung lebendig. Das Gasthaus vis à vis ist der Treffpunkt der Geschäftsesser, der tüchtigen Verdiener, viele davon im gleichen Großunternehmen wie Karen beschäftigt. Karen ist der Star dieses kleinen Kreises. Das ist ihr und Marek bewusst. Karen schenkt Marek seine erste Kamera, eine Leica. Diese Verlängerung seines Blicks liegt ihm und öffnet ihm Wege. Aus dem Fenster fotografiert er Karen unter den Menschen, er sammelt Momentaufnahmen, dokumentiert das Verhalten der “Gasthausmenschen”, wie er sie nennt, einer fidelen und glatten Gesellschaft, die so manches Dunkle unter die weißen Tischdecken kehrt. Marek wird zum Künstler wider Willen, zum Seismographen einer scheinbar verlässlichen, de facto aber brüchigen und abgründigen Welt. Karen organisiert hinter dem Rücken des Bruders eine Ausstellung seiner Fotografien. Marek wird in kürzester Zeit ein “Name” und ist zutiefst unglücklich darüber. Er fühlt sich, seine Intimsphäre und seinen Blick auf die Welt verraten. Als er begreift, dass er den Zeiger nicht mehr zurückdrehen kann, benützt er seinen Künstlerstatus, hält den Menschen, die dem einst unsicheren Kind Marek plötzlich hinterherlaufen,brutal den Spiegel vor, indem er ihre Leere, ihre tiefe Verunsicherung, ihre Banalität und Oberflächlichkeit abbildet.
Aber die Durchschauten und Abgebildeten schlagen zurück und die Geschwister verändern sich durch den Gang der Ereignisse auf radikale und irreparable Weise. Was passiert in einer Gesellschaft, die alles über die erfolgreiche Abwicklung von Kauf und Verkauf definiert und wertet, mit den “Anderen” mit den Unberechenbaren, den Anstrengenden, den Kranken, den Sensiblen, den Künstlern, all jenen, die keine zählbaren Profite für ebendiese Gesellschaft erwirtschaften? Wie reagieren die programmierten Erfolgsmenschen auf Karen und Marek, was können die Geschwister wiederum den scheinbaren “Machern” dieser Welt geben, zeigen oder auch nehmen?
Anna Poloni, zweisprachig aufgewachsen in Syrakus, Rom und Wien, Studium der Germanistik und Romanistik sowie der Rechtswissenschaften in Rom, Zürich, Bern und Wien, schreibt Lyrik, Prosa und Dramatik. Gelegenheitsjobs als Übersetzerin, sowie Trauer- und Festrednerin ließen genügend Raum für das eigene Schreiben. Die bewusste Entscheidung zu einem Leben mit Kindern und auf Reisen, haben ein Schreiben geprägt und forciert, dessen Veröffentlichung zunächst nicht im Vordergrund stand. Das änderte sich 2010 mit der Entscheidung für einen mittelfristigen Lebensmittelpunkt in Andalusien und die Konzentration auf die schriftstellerische Arbeit.
MIT
Luc Feit
Petra Gstrein
Jens Ole Schmieder
Kirstin Schwab
Martin Schwanda
REGIE Anna Maria Krassnigg
RAUM & LICHT Andreas Lungenschmid
KOSTÜME Antoaneta Stereva
MUSIK Christian Mair
KOPRODUKTION Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, Drama Shop Wien